Die Geschichte der Sektion Königsberg

Die Sektion Königsberg wurde als nordöstlichste Sektion des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins im Jahre 1890 in der Provinzhauptstadt Königsberg in Preußen gegründet. Wenn auch die Mitgliederzahlen zunächst nicht hoch waren, herrschte doch von Anfang an eine rege Vereinstätigkeit mit monatlichen Wanderungen und Vorträgen.

Die seltsame Bergbegeisterung im hohen Norden, so weit entfernt von den Alpen, hat vor allem ihren Ursprung in der Geschichte. Denn zur Gründerzeit hatte jeder dritte Ostpreuße Vorfahren aus dem Land Salzburg: Um 1731 flammte im Salzburger Land die Verfolgung der Protestanten durch Erzbischof Leopold Anton von Firmian wieder auf. Am Sonntag, den 11. November 1731 ließ Firmian das Emigrationspatent von den Kanzeln verlesen. Mitten im Winter mussten die Protestanten das Land verlassen. Daraufhin erließ der preußische König Friedrich Wilhelm I am 2. Februar 1732 sein Einladungspatent. Ein Edikt, in dem er den „Exulanten“ versprach, sie „aus christ-königlichem Erbarmen und herzlichem Mitleid“ in Preußen aufzunehmen. Zuerst wollte er nur 10.000 Flüchtlinge aufnehmen, schließlich ließ er sie zahlenmäßig unbeschränkt ins Land. Unter großer Aufmerksamkeit und Anteilnahme der deutschen Öffentlichkeit bewegte sich ein endloser Zug Vertriebener quer durch Deutschland über Berlin nach Ostpreußen.

Diese Sektion, die aus einer ererbten Sehnsucht nach Bergen und - der Zeit entsprechend - aus dem Abenteuergeist des Alpinismus entstanden war, beteiligte sich schon frühzeitig an einem aktiven Naturschutz. So war sie bereits im Jahre 1900 an der Gründung des Vereins zum Schutze der Alpenpflanzen und Tiere in Straßburg beteiligt.

Zum Bau einer eigenen Schutzhütte in den Alpen kam es in Folge der Kriegs- und Notzeiten des 1. Weltkriegs erst im Jahr 1927/28. In der ehemaligen Heimat vieler Ostpreußen, im Land Salzburg, wurde oberhalb von Werfen auf dem Rettenbachriedel am 25. Juli 1928 nach nur einjähriger Bauzeit die Hütte der Sektion, die Ostpreußenhütte, eingeweiht. Die Freude der Erbauer war recht kurz, denn mit der 1933 bis 1938 verhängten Ausreisesperre von Deutschland nach Österreich war jede Verbindung völlig abgeschnitten. Unmittelbar darauf folgten die Kriegsjahre, die die Hütte allerdings weitgehend unbeschadet überstand. Nach Ende des 2. Weltkriegs setzte 1948 der neu entstandene Österreichische Alpenverein (OeAV) Treuhänder für die rund 190 deutschen Alpenvereinshütten in Österreich ein, darunter auch für die Ostpreußenhütte. Die Betreuung der Ostpreußenhütte übernahm die im gleichen Jahr gegründete Sektion Werfen des ÖAV und sicherte so ihren Fortbestand.

Der Heimatort der Ostpreußenhütte, die Stadt Königsberg, wurde im August 1944 durch Luftangriffe fast vollständig zerstört. Auch die Geschäftsstelle der Sektion wurde total ausgebombt, alle Akten und Aufzeichnungen über die Sektion und ihre Hütte vernichtet. Die sowjetische Eroberung und Inbesitznahme der Stadt verbunden mit der Flucht und vollständigen Vertreibung der deutschen Bevölkerung beendeten eine 700-jährige deutsche Geschichte in diesem Teil Europas. Königsberg wurde in Kaliningrad umbenannt und der nord-östliche Teil Ostpreußens zu einem Teil der Sowjetunion. Seit dem Zerfall der Sowjetunion ist der Oblast Kaliningard eine russische Exclave innerhalb der Europäischen Union zwischen Polen und Litauen.

Trotz der Wirren der Nachkriegsjahre, in denen der Wiederaufbau des zerstörten Landes im Vordergrund stand, fanden Mitglieder der Sektion Königsberg, die in die Westzonen geflüchtet waren, wieder zusammen. Im Herbst 1951 waren es etwa 50 Mitglieder, die sich trotz des Verlustes ihrer Heimatstadt mit vereinten Kräften dafür einsetzen wollten, die Sektion am Leben zu erhalten und für eine Rückübertragung der Ostpreußenhütte in ihre Verantwortung zu sorgen.

Am 26. Januar 1952 konnte in Göttingen/Harz die erste Mitgliederversammlung einberufen werden. Nachdem die Sektion wieder auf 250 Mitglieder angewachsen war, die mehrheitlich in und um München wohnten, wurde am 10. Dezember 1965 in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung  der Sitz der Sektion von Göttingen nach München beschlossen und durch Eintragung im Vereins-Register des Amtsgerichts München besiegelt.

Für den Rückerwerb ihrer Hütten war eine Interessengemeinschaft der ost- und mitteldeutschen Sektionen gegründet worden, um gemeinsam in Verhandlungen mit aller gebotenen Vorsicht und Geschick dies Ziel zu erreichen. Die Bemühungen hatten Erfolg, so dass am 20. Mai 1968 im Grundbuchamt Werfen der Kaufvertrag der Ostpreußenhütte zwischen ÖAV und dem DAV eingetragen werden konnte. Am 27. Oktober 1972 übertrug der DAV die Liegenschaften mit der Ostpreußenhütte und allem Zubehör an die Sektion Königsberg, die mit Unterzeichnung des Vertrages wieder als alleinige Besitzerin im Grundbuch Werfen eingetragen ist.

1990 feierte die Sektion ihr 100jähriges Bestehen und am 20. Juli 2008 den 80. Geburtstag der Ostpreußenhütte. 2015 wurde im Alpinen Museum auf der Praterinsel das 125-jährige Vereinsjubiläum mit einer Ausstellung und Festveranstaltung gefeiert.

Heute ist jeder Natur- und Bergfreund unabhängig von landsmannschaftlicher Zugehörigkeit in der Sektion herzlich willkommen. Es verbindet uns die Freude an der Natur, die Liebe zu den Bergen und die Fürsorge um unsere Ostpreußenhütte mit ihrer höchst wechselvollen Geschichte. Wichtig ist uns ein breit gefächertes Angebot in vielen Bergsportarten für alle Alters- und Interessentengruppen, bergsportliche Ausbildungs- und Schulungsmaßnahmen sowie die Pflege lebendiger, freundschaftlicher Kontakte der Mitglieder untereinander.